Keiner wie der Andere
- "Persönlichkeitsunterschiede" bei Großen Menschenaffen
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Große Menschenaffen sind die nächsten lebenden Verwandten des
Menschen. Ihre geistigen Fähigkeiten werden seit langem untersucht
und mit denen des Menschen verglichen. Doch die ausgeprägte
Individualität von Menschenaffen wurde lange Zeit von der Forschung
ignoriert und als reine Vermenschlichung abgetan. Jana Uher hat am
Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig neue
Methodiken und Forschungsansätze entwickelt, um die ausgeprägten
individuellen Unterschiede bei Großen Menschenaffen wissenschaftlich
zu untersuchen. Ihre umfassenden Studien im Zoo Leipzig weisen
systematisch individual-spezifische Besonderheiten - d.h.
"Persönlichkeitsunterschiede" - im Verhalten Großer Menschenaffen
nach.
(© Fotos: MPI-EVAN & Jana Uher, Primate Personality
Net, MPI-EVAN & Humboldt University Berlin)
Große Menschenaffen sind die nächsten lebenden
Verwandten des Menschen. Bereits die Pioniere der Primatenforschung
wie Wolfgang Köhler und Robert Yerkes berichteten schon vor fast 100
Jahren von Beobachtungen über die ausgeprägte Individualität dieser
Arten. Doch die Erforschung individual-spezifischer Besonderheiten
oder gar ihre Bezeichnung als "Persönlichkeitsunterschiede" wurde
lange Zeit als reine Vermenschlichung abgetan.
Deshalb hat Jana Uher neue Methodiken und Forschungsansätze
entwickelt, mit denen individual-spezifische Besonderheiten im
Verhalten, d.h. "Persönlichkeitsunterschiede", systematisch
untersucht und kategorisiert werden können - und zwar nicht nur beim
Menschen, sondern auch bei nichtmenschlichen Arten. Diese neuen
Methodiken wandte sie erstmals exemplarisch zur Untersuchung Großer
Menschenaffen an. Am
Wolfgang-Köhler
Primaten-Forschungszentrum des
Planck-Instituts
für Evolutionäre Anthropologie und dem
Zoo Leipzig untersuchte sie 20 Individuen, Bonobos, Schimpansen,
Gorillas und Orangutans.
Sie beobachtete diese Individuen in ihren Gruppen
vor der Mittagsfütterung und auch am Nachmittag und entwickelte 14
verschiedene Verhaltenstests, in denen sie das Verhalten der
Menschenaffen auf Video aufzeichnete und später softwarebasiert
kodierte. Diese minutiöse und umfassende Registrierung des
individuellen Verhaltens in vielfältigen Situationen auf insgesamt
76 Verhaltensvariablen ermöglichte aufschlussreiche Analysen.
Entscheidend dabei war, dass Jana Uher alle
Verhaltenstests und Beobachtungen mehrfach wiederholte und in zwei
getrennten Zeiträumen von jeweils 14 Tagen durchführte. Insgesamt
protokollierte sie das Verhalten eines einzelnen Individuums über
67,3 Stunden. Durch diese umfangreichen Datensätze konnte sie genau
untersuchen, ob individuelle Unterschiede nur zufällig auftraten
oder ob Menschenaffen tatsächlich stabile Verhaltensunterschiede
zeigen, die spezifisch für die Individuen sind, denn nur diese
werden als "Persönlichkeitsunterschiede" bezeichnet.
Zur Untersuchung von Explorationsverhalten bekamen die Menschenaffen
zum Beispiel kleine neue Objekte (Novel object test;
Uher et al., 2008, p. 103). Manche Individuen untersuchten die
Objekte sofort und beschäftigten sich sehr intensiv damit. Ähnlich
wie kleine Kinder, untersuchen Menschenaffen Objekte gern mit dem
Mund; Orangutans nehmen auch gern mal ihre Greiffüße zur
Unterstützung dazu. Einige Individuen spielten auch sehr ausgelassen
und erfindungsreich mit den Objekten. Andere wiederum besahen sich
die Objekte nur kurz, legten sie schnell wieder in eine Ecke und
ignorierten sie. Wieder andere beäugten sie sehr lange aus sicherer
Entfernung.
(© Foto: Jana Uher, Primate Personality Net, MPI-EVAN
& Humboldt University Berlin)
In einem anderen Test wurde untersucht, wie impulsiv
die Individuen auf den Anblick einer Schale voll Futter oder einer
Banane reagieren und wie lange sie ruhig abwarten können, bis sie das
Futter (jeweils nach ein paar Minuten) bekamen (Pile of food test,
Food out of reach test; Uher et al.,
2008, p.103). Links im Bild schläft die eigentliche Testkandidatin
Viringika ruhig unterm Tisch, während ihre 2-jährige Tochter Kibara
auf ihr sitzt und nicht vom Anblick der Banane lassen kann - so wie
auch Fraukje beim Anblick des Fruchtbergs rechts im Bild.
(© Fotos: Jana Uher, Primate Personality Net, MPI-EVAN
& Humboldt University Berlin)
Für die Untersuchung von Explorationsverhalten
bekamen die Menschenaffen auch bunt gefärbte Apfelstücke in neuen
Formen (Novel food test; Uher et al.,
2008, p. 103). Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Manche
Affen untersuchten das bunte Futter ausgiebig, spielten damit und
kosteten es. Andere hingegen ignorierten die sonderbaren Stücke
einfach und wieder andere warfen sie der Forscherin mit spitzen
Fingern zurück.
(© Fotos: Jana Uher, Primate Personality Net, MPI-EVAN
& Humboldt University Berlin)
Die Aufmerksamkeit der Affen war gefordert, als ohne
ihr Wissen Rosinen versteckt oder mit Honig an die Wand geklebt
waren (Hidden food test; Uher et
al., 2008, p. 102). Manche Individuen entdeckten die süßen
Überraschungen recht schnell, während andere sie erst nach einer
ganzen Weile oder auch gar nicht bemerkten, obwohl sie direkt
daneben saßen.
(© Fotos: Jana Uher, Primate Personality Net, MPI-EVAN & Humboldt
University Berlin)
Wie ausdauernd sich Menschenaffen einer Aufgabe
widmen können, auch wenn es nicht gleich eine Belohnung dafür gibt,
wurde im Knopf-Box-Test untersucht (Button-box Test;
Uher et al., 2008, p. 101). Nachdem die Individuen in einem
ersten Durchlauf bei jedem Drücken der großen gelben Knöpfe der Box
eine Belohnung bekamen, folgte ein zweiter, in dem es keine
Belohnung mehr auf Knopfdruck gab. Manche Individuen drückten die
Knöpfe beharrlich weiter und legten dabei eine große Ausdauer an den
Tag, während es sich andere auf einem Nest bequem machten und nur ab
und zu mal einen Knopf drückten.
(© Fotos: Jana Uher, Primate Personality Net,
MPI-EVAN & Humboldt University Berlin)
(© Grafik: Jana Uher)
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Die Ergebnisse belegen eindeutig, dass Große Menschenaffen in
einer sehr großen Bandbreite von Verhaltensweisen stabile
individuelle Unterschiede zeigen. Auch die individuellen
Konstellationen an spezifischen Verhaltensmustern waren stabil
über die Zeit; diese können grafisch in "Persönlichkeitsprofilen"
dargestellt werden.
So war die Kombination der individuellen Verhaltenstendenzen
der Schimpansin Sandra in verschiedenen Verhaltensbereichen in
beiden Untersuchungszeiträumen auffallend ähnlich (vergleiche
links im Bild die durchgezogene mit der gestrichelte
Profillinie) - dieses stabile Verhaltensprofil visualisiert die
verhaltenswissenschaftliche Messung von Sandras "Persönlichkeit"
im Gesamtzeitraum der Untersuchung.
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Diese Forschungsarbeiten wurden mit mehreren wissenschaftlichen
Preisen ausgezeichnet.
Ansprechpartnerin:
Dr. Jana Uher
Wissenschaftliche Publikationen:
Uher, J., Asendorpf, J. B., &
Call, J. (2008). Personality in the behaviour of great apes:
Temporal stability, cross-situational consistency and coherence in
response. Animal Behaviour, 75, 99-112.
https://doi.org/10.1016/j.anbehav.2007.04.018
[Download]
[Highlights]
Uher, J. (2011b). Personality in nonhuman primates: What can we
learn from human personality psychology? In A. Weiss, J. King, & L.
Murray (Eds.). Personality and temperament in nonhuman primates
(pp. 41-76). New York, NY: Springer.
https://doi.org/10.1007/978-1-4614-0176-6_3
[Download]
[Highlights]
Uher, J. (2008a). Comparative personality
research: Methodological approaches [Target article]. European
Journal of Personality, 22, 427-455.
https://doi.org/10.1002/per.680
[paper request]
[Highlights]
Uher, J. (2008b). Three methodological core
issues of comparative personality research. European Journal of
Personality, 22, 475-496.
https://doi.org/10.1002/per.688 [paper
request] [Highlights]
Uher, J. & Asendorpf, J. B. (2008). Personality
assessment in the Great Apes: Comparing ecologically valid behavior
measures, behavior ratings, and adjective ratings. Journal of
Research in Personality, 42, 821-838.
https://doi.org/10.1016/j.jrp.2007.10.004 [Download]
[Highlights]
Letzte Aktualisierung 14.09.2013
Keywords: Pan paniscus, Pan troglodytes, Gorilla gorilla, Pongo
pygmeus, Bonobo, Schimpanse, Gorilla, Orangutan, individuelle
Unterschiede, Persönlichkeit, Beurteilung, Persönlichkeitsmessung,
Rating, Verhaltensprofile, individuelles Verhalten,
Persönlichkeitsunterschiede.
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